Außen sind die Namen französisch (mon chéri, charme), die Bezeichnungen
englisch (nail studio, brow bar, make up, lazer). Die Namen erinnern an die Ferne,
drinnen werden jedoch keine Fremdsprachen gesprochen.
Maria, die auf deren gute Qualität schwört, nahm mich an diesem Tag mit. Vom
Bildschirm ertönte laute lateinamerikanische, englische und ukrainische Popmusik,
jedoch keine russische. Den SängerInnen und TänzerInnen merkte man an, dass sie
viel Zeit an einem solchen Ort verbringen: im Schönheitssalon.
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Es ist schön, ein Salon in vielen Städten zu haben, allein der Beobachtungsmöglichkeiten
wegen. „Du gehst oft in den Schönheitssalon?“ fragte Maria. „Nein. Eigentlich kenne
ich bloß Friseursalons.“ „Friseure – Taxifahrer auch – sind wie Soziologen, gute
Beobachter“, ergänzte ich.
Eine Ausbildung als Friseurin steht mir noch bevor. Im Moment bin ich aber als
Soziologin unterwegs. Zu meinen bisherigen Beobachtungen kann ich Folgendes
berichten: Bei meinem Friseur in Erfurt, in unmittelbarer Nähe zur Altstadt, kriegt
man zum Kaffee einen anständigen Haarschnitt und -Farbe. „Bleaching“ und
„ombré“ macht die Chefin prinzipiell nicht, aus ethischen Gründen – „es macht
die Haare ganz kaputt,“ beteuert sie. Sie ist sowieso nicht darauf angewiesen,
denn Kundschaft hat sie genug.
In Montréal schneidet mein Friseur die Haare schnell und gut, tendenziell aber
etwas zu kurz. Es ist, als ob das unausgesprochene Motto der Erfurter
Friseurin, „nicht zu viel, nicht zu wenig“ hier nicht gelten würde. Und in Lwiw?
Ist man in einem Salon angemeldet, kriegt man dort alles gemacht: Haare, Nagellack
samt Design, Augenbrauen, Makeup, Wimpern – Maniküre und Pediküre
selbstverständlich auch – und bestimmt noch andere Angebote, die mir noch nicht
bekannt sind.
Maria lässt sich die Nägel in einem dezenten Rosa lackieren, an einem
Finger lässt sie Blitzer malen, „un petit extra“, wie auch ein Salon genannt
werden könnte. Ich sehe zu, während ich der Soziologie zur Liebe auch
meine Nägel lackiert bekomme.
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Linke Hand, rechte Hand. Ob Männer auch hierherkommen, will ich von der
Nagelexpertin wissen. Es wird im Salon laut gelacht und geredet, ich verstehe
nicht alles. „Nein, nicht, ob Männer deinen Beruf ausüben, ob es auch männliche
Kunden gibt?“ „Ach so! Manchmal kommen schöne Männer aus der Türkei oder
Italien, unsere nicht,“ antwortete Natalia während Maria ein Gesicht machte, als
ob es ganz hoffnungslos sei. Von Männern erwarten die Frauen im Salon wenig. Ihre
chéris sollten „akуpatни“, gepflegt, sein. Abgesehen vom kurzen
Haarschnitt und sauberem Hemd scheinen Männer wenig in die Schönheitsindustrie
zu investieren. Die meisten Anstrengungen gehen wohl in eine bestimmte Körperhaltung,
die ich noch nicht genau beschreiben kann.
Rechte Hand, linke Hand. „Stört dich die Musik nicht?“ frage ich Natalia
weiter. „Was? Nö!“ erwidert sie etwas verblüfft. Die Songs wiederholen sich und
SängerInnen und TänzerInnen entsprechen nicht dem Kanon der political
correctness. Tomasz, der Ethnologe aus Polen, der hier forscht und mit mir
Notizen austauschte, bemerkte zum Thema Schönheit, dass es in den letzten Jahren
in der Stadt anders geworden sei. Die Röcke seien z.B. länger geworden. Jenseits
des internationalen Trends mag die Länge der Röcke – sowie die Beliebtheit der Sneakers
und flachen Sandalen – als Indiz für einen sozialen Wandel in den
Geschlechterverhältnissen und für mehr Bewegungskomfort gedeutet werden.
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Bei allen möglichen Schönheitskanons und der Ambivalenzen ihrer
Institutionen gegenüber ist der Salon in Lwiw eine Oase, eine kleine Kur vom
Alltag. Klar geht es um soziale Erwartungen in der Schönheits- und Musikindustrie,
aber auch um mehr. Dort geht man oft mit einer Freundin hin, nimmt sich Zeit,
tut was für sich. Letzten Endes steckt im Wort Maniküre oder Pediküre auch das
Wort „Kur.“ Manchmal lässt man sich auch beraten. Eine Friseurin empfahl mir mal,
meine Haare nicht zu kurz zu schneiden. Sie sah, dass ich an dem Tag traurig
war und riet mir von einer allzu raschen Veränderung ab.
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Beim Rausgehen ertönte noch die Musik und die Tänzer wurden nicht müde. Beim
Zahlen schaute die heilige Maria auf uns. Es ging, etwas leichter, wieder in den Alltag.