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Samstag, 4. August 2018

Lemberg ist in Montréal

Wir trafen uns im Café, die Reporterin und ich. Sie fragte nach meinen Eindrücken von der Stadt. Ob die Stadt sich durch ihre Vielfalt kennzeichnete? „Heute ist sie sehr homogen“, war meine Antwort. Sprachlich gibt es eine gewisse Vielfalt, zwischen Ukrainisch und Russisch. Religiös etwa. LGTBT+ und andere Arte von Vielfalt, eher wenig. Die vielen Denkmäler, die überwiegend Männer und Ukrainer darstellen, bekräftigen diesen Eindruck (siehe „Der versteinerte Präsident“ https://stadtschreiberin-lemberg.blogspot.com/2018/06/der-versteinerte-prasident.html).
Die Vielfalt der Stadt scheint vielmehr in der Vergangenheit zu liegen. Nach Lemberg – oder Czernowitz – fährt man nicht hin: Man pilgert dorthin. Die Stadtverwaltung und private Unternehmer haben die Sehnsucht nach der Vielvölkermonarchie offenbar erkannt und geschickt vermarktet. Im Alltag wissen dagegen viele Menschen nichts davon oder sind schlicht mit anderen Sachen beschäftigt. Sie wissen nicht – ich leider auch noch nicht – wer alles in den von ihnen bewohnten Häusern früher gelebt hat. Aus diesem Grund habe ich bis zum heutigen Tag in diesem Blog über Lwiw, und nicht Lemberg, geschrieben.

Donnerstag, 19. Juli 2018

„C’est étrange!“


Die Katzenfrau

Sie hat eine Mission, einen wichtigen Auftrag zu erfüllen: Sie füttert die herrenlosen, herumstreunenden Katzen der Stadt. Auch sorgt sie dafür, dass sie kastriert werden und gesund bleiben. Eine Chronik zum Tierschutz beim lokalen Radiosender hat sie gehabt. Sie ist die Katzenfrau Lwiws.

Zuhause kann sie die Allergiker unter den Soziologen nicht empfangen, denn Katzen hat sie in der Wohnung viele, über zwanzig wird spekuliert.

Wir treffen uns an einem geheimen Ort. Dort pflegt sie neun Katzen. Ich verrate den Namen des Ortes nicht, da ich der Katzenfrau keinen Schaden zufügen möchte. Auf einen Spendenaufruf verzichte ich damit ebenso. Die Katzenfrau wird nämlich oft erpresst. So soll eine Frau sie angerufen haben und sie bedroht haben: „Ab Morgen bin ich in Rente. Ich komme nicht mehr zum Ort XYZ. Wenn du die Katzen nicht fütterst, hast du sie auf dem Gewissen.“ Solche Bedrohungen bekäme die Katzenfrau öfter. Kein Wunder, dass sie nicht gerne ans Telefon oder an die Tür geht.

Wenn Sie sich vorstellen, dass die Katzenfrau komisch ist, irren Sie sich. Sie ist menschenfreundlich, offen, normal. Nur die Tasche mit Futter und Katzenleckerli mag sie verraten, und dass sie selten in den Urlaub fährt. 

Sonntag, 27. Mai 2018


Hängen immer Flaggen, wenn man am Sonntag in Lwiw aufsteht? 



 

Samstag, 19. Mai 2018

Wohin


In einem Restaurant sprach mich eine Frau an, die sich gerade mit ihrer Familie in Lwiw aufhielt. Sie kamen aus Iași, Rumänien. Weil sie zwei Tage Vorsprung hatten – ich war vor zwei Tagen angekommen –, fragte ich, was ich mir in der Stadt anschauen sollte. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Die Kirchen, unbedingt!“ Iași ist in diesem Punkt auch ein guter Ort, merkte ich.

Nicht so, als ob Religion sich auf religiöse Gebäude reduzieren ließe. Religion scheint auch außerhalb der Kirchen präsent zu sein. Im Stadtzentrum stehen junge und alte Frauen, Männer auch, die Hände zum Gebet gefaltet oder kniend, vor einer Statue Marias und einem weißen Kreuz an einer viel befahrenen Kreuzung. Fußgängermassen gehen an ihnen vorbei. Niemand schaut hin – überhaupt scheint wenig in Lwiw geschaut zu werden.
Bei einem Poesie-Abend in einer Bar trägt eine der Dichterinnen ein T-Shirt, so wie viele Frauen in Deutschland es auch gern tragen, mit Marinefarben, goldenen Tönen und pflanzenähnlichen Mustern. Nur hat sie Christus auf dem Rücken. Neben anderen Themen wird über Religion an diesem Abend mit einem gewissen Pathos gedichtet. Religion wird auch einverleibt.
Eine Frau, die Lwiw gut kennt, sagt, sie wüsste, wo man solche T-Shirts kaufen kann. Ich werde dort hingehen.
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Männer stehen davor, viele sind schon drinnen, vor einem kleinen Fenster mit Gitter. Es ist abends, schon spät. Was ist das? Ein Wettbüro? Nein, ein Lombard, ein Pfandgeschäft. Ich brauche noch ein Messer, eine Teekanne, einen Flaschenöffner. Ich werde dort hingehen. 
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Sie arbeitet in einer Abteilung der Stadt. Dort sollten Geschlechterfragen demnächst Thema werden. Von welchem Gesichtspunkt sollte man die Sache angehen? Oft wird sie als „question of dignity“ betrachtet, fügt sie hinzu. Sie suchen eine Soziologin. Ob ich hingehen würde? Selbstverständlich.
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Im Kulturpalast sitzt die Frau, die Lwiw gut kennt, wenn sie nicht in Sachen Kulturdiplomatie unterwegs ist. Was für ein Gebäude! In den 1930er Jahren für städtische ArbeiterInnen gebaut, modernistisch, aus roten Backsteinen, mit Marmor in allen Farben, Parkett mit Motiven, alles unglaublich verwinkelt. Dort gibt es einen Konzertsaal mit riesigem Kronleuchter, ein ehemaliges Kino im Keller, das mal ein Nightclub beherbergte und nun gelegentlich der Poesie gewidmet wird, einen Tanzsaal mit rosa Vorhängen. Ob Salsa getanzt wird? „Nein, eher traditionelle Tänze.“ Ok. Die Frau im Vorzimmer hört Delfinmusik und sagt, dass die Chefin gerade nicht im Haus ist. Ich werde noch mal hingehen.