Sonntag, 27. Mai 2018


Hängen immer Flaggen, wenn man am Sonntag in Lwiw aufsteht? 



 

Samstag, 26. Mai 2018

Gera in Lwiw

Bohdana hat dort als Kind gespielt, auf dem deutschen Spielplatz in der nach sowjetischem Muster gebauten Vorstadt Sychiw. Sie zeigt mir auch die Plattenbauten, die von deutschen Arbeitern gebaut wurden. Gera heißt es und das war im Jahre 1988. Ein bisschen Pech, denke ich mir: „Die Arbeiter – oder sprach man damals noch von ‚Werktätigen‘? – haben den alten Stil in die neue Zeit mitgebracht.“

Und Gera? Die Stadt ist 973 km entfernt, eine Fahrt mit dem Bus dauert wohl 38,5 Stunden... Ist Lwiw Partnerstadt Geras? Noch nicht mal.
Vielleicht hat die Thüringer Stadt, wie manch ein kanadischer Sänger oder Koch in Polen oder im Libanon, hier richtig Karriere gemacht und ist bekannter und beliebter als ihre Anwohner je vermuten könnten?
Wie Sie sich denken können: Dieser Spur werde ich nachgehen. Und eine Maniküre kriege ich vielleicht auch nebenbei dazu, denn im Viertel findet man auch ein Kosmetikstudio, das Gera heißt.
Vielleicht liegt in Cиxib, in der jenseits vom Tourismus geprägten Altstadt, das lebendige Erbe des deutschsprachigen Europas, eine gelebte Realität jenseits der erfolgreich vermarkteten Sentimentalität? Im besagtem Viertel werden übrigens weiterhin Plattenbauten im alten Stil gebaut, „das Viertel ist heute begehrt, es gibt eine große Nachfrage“, meint Bohdana.
Um in das Viertel zu kommen, fährt man übrigens mit einer Tatra KT4D, einer Straßenbahn aus Gera und man fühlt sich erinnert an die 1990er Jahre.




Samstag, 19. Mai 2018

Wohin


In einem Restaurant sprach mich eine Frau an, die sich gerade mit ihrer Familie in Lwiw aufhielt. Sie kamen aus Iași, Rumänien. Weil sie zwei Tage Vorsprung hatten – ich war vor zwei Tagen angekommen –, fragte ich, was ich mir in der Stadt anschauen sollte. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Die Kirchen, unbedingt!“ Iași ist in diesem Punkt auch ein guter Ort, merkte ich.

Nicht so, als ob Religion sich auf religiöse Gebäude reduzieren ließe. Religion scheint auch außerhalb der Kirchen präsent zu sein. Im Stadtzentrum stehen junge und alte Frauen, Männer auch, die Hände zum Gebet gefaltet oder kniend, vor einer Statue Marias und einem weißen Kreuz an einer viel befahrenen Kreuzung. Fußgängermassen gehen an ihnen vorbei. Niemand schaut hin – überhaupt scheint wenig in Lwiw geschaut zu werden.
Bei einem Poesie-Abend in einer Bar trägt eine der Dichterinnen ein T-Shirt, so wie viele Frauen in Deutschland es auch gern tragen, mit Marinefarben, goldenen Tönen und pflanzenähnlichen Mustern. Nur hat sie Christus auf dem Rücken. Neben anderen Themen wird über Religion an diesem Abend mit einem gewissen Pathos gedichtet. Religion wird auch einverleibt.
Eine Frau, die Lwiw gut kennt, sagt, sie wüsste, wo man solche T-Shirts kaufen kann. Ich werde dort hingehen.
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Männer stehen davor, viele sind schon drinnen, vor einem kleinen Fenster mit Gitter. Es ist abends, schon spät. Was ist das? Ein Wettbüro? Nein, ein Lombard, ein Pfandgeschäft. Ich brauche noch ein Messer, eine Teekanne, einen Flaschenöffner. Ich werde dort hingehen. 
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Sie arbeitet in einer Abteilung der Stadt. Dort sollten Geschlechterfragen demnächst Thema werden. Von welchem Gesichtspunkt sollte man die Sache angehen? Oft wird sie als „question of dignity“ betrachtet, fügt sie hinzu. Sie suchen eine Soziologin. Ob ich hingehen würde? Selbstverständlich.
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Im Kulturpalast sitzt die Frau, die Lwiw gut kennt, wenn sie nicht in Sachen Kulturdiplomatie unterwegs ist. Was für ein Gebäude! In den 1930er Jahren für städtische ArbeiterInnen gebaut, modernistisch, aus roten Backsteinen, mit Marmor in allen Farben, Parkett mit Motiven, alles unglaublich verwinkelt. Dort gibt es einen Konzertsaal mit riesigem Kronleuchter, ein ehemaliges Kino im Keller, das mal ein Nightclub beherbergte und nun gelegentlich der Poesie gewidmet wird, einen Tanzsaal mit rosa Vorhängen. Ob Salsa getanzt wird? „Nein, eher traditionelle Tänze.“ Ok. Die Frau im Vorzimmer hört Delfinmusik und sagt, dass die Chefin gerade nicht im Haus ist. Ich werde noch mal hingehen.