Samstag, 15. September 2018

Tango in Lewandiwka

🌸Eine französische Fassung dieses Textes habe ich am 29. August 2018 gepostet.

In der Menge, die ich beobachtete, fielen mir zwei Personen auf: Eine elegante und etwas verwelkte – oder zu dick geschminkte? – Frau, die ein Seidenkleid trug, das ihren Rücken entblößte, und ein Mann in einem hell-beigen Anzug, zu kokett für den Anlass. Inmitten von Frauen fortgeschrittenen Alters in Röcken, 7/8-Hosen und Sandalen saßen sie auf der Tribüne vor der Hauptbühne des Festivals in Lewandiwka. Diese war am Eingang des dortigen Jugendzentrums aufgebaut worden, das sich in einem ehemaligen sowjetischen, nun in nationalen Farben gestrichen, Kino befindet. Als ich sie fotografierte, wurde mir plötzlich klar: Die zwei exotischen Vögel waren die Tangolehrer, die im Programm, das ich gerade studiert hatte, angekündigt waren.

Sonntag, 9. September 2018

Dichter an der Front

Ich fand mich wieder in einem Kulturpalast. Diesmal nicht im eleganten Lwiw, sondern in der nah an der Front gelegenen Industrie- und Hafenstadt Mariupol, im Osten der Ukraine. „Das ist ein Ort, wie man sich ihn vorstellt“, kommentierte ein Kollege, als wir in dem Saal, der eine Jugendweihe irgendwo in Ostdeutschland hätte beherbergen können, Platz nahmen. Sein Inneres zeugte von der Pracht eines ehemaligen Hotels, das später als sowjetisches, nun ukrainisches Haus des Volkes diente: Hohe Decken mit Sternen besetzt, die als Blumen gehen können, und beige-gelbe Wände, die zum Blau der massenproduzierten Plastikstühle passten, und eine neue Zeit anzukündigen schienen.

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